Viennacontemporary

„Meine Sammlung ist mein Einkommen!“

Collector Interview | Kamran Diba

Architekt, Stadtplaner, Landentwickler, Künstler, Sammler und Direktor des Museums für moderne Kunst in Teheran – Kamran Diba ist 85 Jahre alt seine diversen Talente könten gleich mehrere Leben füllen. Im Gespräch mit viennacontemporaryMag erinnert er sich an seine Freundschaften mit Künstlern wie Keith Haring und Ernst Fuchs, an seine Bemühungen, das erste Museum für moderne und zeitgenössische Kunst im Iran zu gründen und zu leiten, und an die Grundsteine seiner beeindruckenden Sammlung, die ihm ein komfortables Leben ohne andere Einnahmequellen ermöglicht.


Was hat Sie in die Kunstwelt geführt? Wie sind Sie zum Sammler geworden?

Ich betrachte mich nicht als Sammler. Wissen Sie, ich habe als Maler angefangen. Maler sammeln nicht. Sie tauschen Werke oder sammeln Kolleg:innen und Freund:innen. Das ist es, was ich hauptsächlich gemacht habe.

Erzählen Sie uns von den Anfängen Ihrer Künstlerzeit.

In den frühen 60er Jahren studierte ich Architektur in Washington DC, aber ich wollte nicht nur technische Skizzen anfertigen, sondern auch kreativ sein. Also begann ich zu malen.  Ich interessierte mich für die New York School und Action Painting, und meine Ausbildung bestand im Wesentlichen darin, dass ich die Museen in New York besuchte, vor allem das Museum of Modern Art. Besonders beeinflusst wurde ich von zwei amerikanischen Künstlerinnen, Lee Bontecou und Louise Nevelson. Natürlich mochte ich auch Willem De Kooning und mein Lieblingskünstler war Franz Kline. Bis zu einem gewissen Grad wurde mein abstraktes Werk auch von der iranischen Kalligrafie inspiriert. Ich hatte ein paar Ausstellungen in den USA und nahm an iranischen Biennalen teil. Auf der Pariser Biennale wurden meine Arbeiten sogar zensiert. Es waren abstrakte Skulpturen, aber Sie wissen ja, wie sie sind…

 

 

Courtesy: Kamran Diba.

 

 

1965, nach der Ermordung von Präsident Kennedy, kehrten Sie in den Iran zurück und engagierten sich stark in der Kunstwelt.

Ich habe viel gemalt und manchmal die Kunst meiner Freund:innen gesammelt, auch um sie finanziell zu unterstützen. Dann hatte ich die Idee, in Teheran einen Club für Künstler:innen zu gründen. Er hieß Rashd 29 – der Name der Straße – und wurde unter den Intellektuellen und internationalen Gäste sehr bekannt. Sogar der Premierminister kam einmal. Hippies, die um die Welt reisten, kamen in meinen Club, um Musik zu machen, und die Künstler:innen, die kamen, fingen an, ihre Werke zu spenden, und wir hängten sie an die Wände. Als ich meinen Club nach drei Jahren schloss, war dies der Grundstein meiner Sammlung.

Und bald schon hatten Sie größere Pläne?

Ja, ich wollte ein Museum mit einem Kulturzentrum und einer Bibliothek einrichten. Ich sprach mit Königin Farah, die meine Cousine ist, und sie bat mich, dem Kulturministerium einen Vorschlag zu unterbreiten. Alles Wissen, das ich hatte, stammte aus meinen Erfahrungen als Besucher, und so nahm ich das MoMA als Vorbild für den Vorschlag. Ursprünglich war ich nur der Architekt, aber ich hatte ja auch das Programm erstellt und 1976 wurde ich schließlich zum Museumsdirektor ernannt und kaufte die meisten Werke für die Sammlung ein. So habe ich auch mit dem Sammeln angefangen: Als ich Gilbert und George für das Museum kaufte, kaufte ich ein kleines Werk für mich. Als ich einen großen Dan Flavin für das Museum kaufte, kaufte ich einen kleinen für mich. Carl Andre, Pollock, De Kooning, Bacon, Gotthard Graubner,… – bei allen verlief es so.

 

 

Franz West outdoor sculptures. Courtesy: Kamran Diba.

 

 

Aber dann endete der Traum auf einmal…

Nach der Revolution verließ ich den Iran mit zwei Koffern von Louis Vuitton und tat so, als ob ich in den Urlaub fahren wollte. Ich wäre strafrechtlich verfolgt und höchstwahrscheinlich hingerichtet worden. Dabei ging auch der größte Teil meiner alten Sammlung verloren. Glücklicherweise hatte ich gerade ein Haus in London gekauft. Dort gab es viele Gemälde alter Meister, aber keine wichtigen. Ich mochte diese alten Rokoko-Gemälde nicht, also erzählte ich meinem Freund Nigel Greenwood davon und er brachte mir ein Dennis Hopper-Porträt von Andy Warhol.

Wie entscheiden Sie, was Sie kaufen?

In den 80er Jahren gab ich meinem New Yorker Freund Elie Broad, der nur kalifornische Künstler:innen sammelte, den Rat: “Kaufe, was immer du siehst! Einige von ihnen werden groß werden, andere nicht.” Diesen Rat befolgte ich auch – im Rahmen meiner Möglichkeiten. Ich begann wie verrückt zu kaufen. Ich vermute, ich wurde süchtig, wie ein Spieler, nach dem Kauf von Kunst.

 

 

With Eli Broad. Courtesy: Kamran Diba.

 

 

Das erste Werk, das ich kgekauft habe, war von Keith Haring. Er war sehr freundlich zu mir. Ich habe es dem Salzburg Museum geliehen, es ist immer noch dort. Auch von Julian Schnabel habe ich gkauft, den ich kenne. George Condo gab mir  einmal in Paris eine zweiseitige Zeichnung als Ersatz für seine Miete. Er war ein armer Mann. Wissen Sie, in den 80er Jahren gab es in New York eine kleine Kunstszene, und ich war auf all den Partys, in den Restaurants, bei den Eröffnungen. Mary Boone hatte eine Ausstellung von Basquiat, ich habe zwei gekauft, und wenn man etwas kauft, wird man eben zum Essen eingeladen und trifft die Künstler:innen.

Sie haben Basquiats Werke in die Hände bekommen, als er noch lebte – erstaunlich!

Die ersten Basquiats habe ich bei Gagosian für 20.000 Dollar gekauft. Bereits davor hatte man mir einen für 8.000 Dollar angeboten, aber ich hatte das Geld damals nicht und musste ich es erst verdienen, aber als ich zurückkam, sagte mir die Galeristin: „Jetzt beträgt der Preis 14.000 Dollar.“ Da habe ich gesagt: „Scher dich zum Teufel, ich will es nicht!“. Was für ein Fehler! Als ich nach New York kam, gab es plötzlich eine lange Warteliste für Basquiat und ich konnte ihn nicht kaufen. Erst als ich meinen Freund Eli Broad besuchte, sah ich diese Basquiatsin deinem Haus und er sagte mir, dass er sie von Larry (Gagosian) bekommen hatte und dass dieser vielleicht noch welche hätte. Larry nahm mich mit in eine Garage, wo ich drei Basquiats sah – wir schüttelten uns die Hände und das war mein großer Kauf von Basquiat. Ich habe viele Jahre lang von diesen Gemälden gelebt.

 

 

Sculpture by Franz West, Rudolf Stingel and Anselm Kiefer. Courtesy: Kamran Diba.

 

 

Sie leben tatsächlich von Ihrer Sammlung?

Meine Sammlung ist mein Einkommen! Ich habe in den letzten 42 Jahren gut gelebt, ohne ein Gehalt zu beziehen. Wenn ich eine Wohnung in Paris kaufen musste, habe ich einen Basquiat verkauft.  Oder ich wollte eine Immobilie in Spanien, also habe ich einige Gemälde verkauft. Mein ursprünglicher Wohlstand nach der Revolution stammte aus dem Immobilienbusiness, den ich veräußert habe und davon Kunst gekauft habe. Was auch immer ich verdiente, ich kaufte davon Kunst. Mein Lager ist nicht sehr groß, aber ich habe zum Beispiel dem Genfer Kunstmuseum sechs oder sieben Werke von Olivier Mosset und Donald Baechler geliehen, der auch ein guter Freund von mir in New York war.

Haben Sie ein Lieblingskunstwerk?

Das ist wie die Frage, ob ich eine Lieblingsfrau habe. Es gibt so viele wunderbare Frauen auf der Welt! Wir haben sehr schöne Skulpturen von Franz West in unserem Haus. Er war auch ein Freund von mir. Er wollte zu uns nach Spanien kommen, aber er ist vorher gestorben. Das erste Stück habe ich von der Galerie Hussenot in Paris gekauft, dann von Larry, und bei einer Auktion von Phillips & Co. habe ich ein wunderschönes Stück ersteigert – eine dieser Masken. Wir haben viel von Secundino Hernandez gekauft. Ich mag seine Arbeiten. Und ein bisschen von Rudolf Stingel, da habe ich ein fantastisches Bild. Aber ich mag nicht jjede Kunst. Ich habe mich zum Beispiel von allen Bildern getrennt, die ich von Holly Sullivan gekauft habe. Aber andere Bilder verkaufe ich nicht, weil sie kein lebensveränderndes Geld sind, also behalte ich sie lieber.

 

 

Kamran in Secundino Hernandez’s studio. Courtesy: Kamran Diba.

 

 

Sammeln Sie immer noch?

Ich bin konservativer geworden; das liegt am Alter und daran, dass ich keine Kinder habe. Außerdem ist Kunst heute ein Investitionsgut geworden. Früher war es eine Leidenschaft. Heute gibt es viele Spekulant:innen und Milliardär:inneb, für die Geld keine Rolle mehr spielt. Es ist ein bisschen verrückt geworden, muss ich sagen. In jedem Bereich gibt es Hunderte von großen Künstler:innen; die Leute fangen an, sich gegenseitig zu kopieren. Der Kunstmarkt des 21. Jahrhunderts ist sehr quantitativ geworden, im Gegensatz zum qualitativen Kunstmarkt der 20er Jahre.

Werden wir Sie nächstes Jahr bei der viennacontemporary sehen?

Auf jeden Fall! Kunstmessen sind wie Karnevals, ich liebe sie!

 

 


Kamran Dibas Tips für’s Sammeln:

  1. Sammeln hat mit Informationen zu tun und mit dem, was man von anderen Leuten hört. Einiges davon kommt vom Ohr und einiges vom Auge.

  2. Wenn Sie in junge Künstler:innen investieren wollen, kaufen Sie bei einer Galerie! Viele junge Künstler:innen werden entmutigt und sind ausgebrannt, weil sie keine angemessene Vertretung haben. Wenn sie in einem etablierten Galeriesystem unterkommen, blühen sie auf. Aber viele – oftmals sogar talentiertere – Künstler:innen gehen unter, weil sie nicht vertreten werden.

  3. Bilden Sie sich weiter: Sie müssen mindestens die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts kennen, denn vieles wiederholt sich in Zyklen. Sie müssen Qualität von Mode unterscheiden können. Selbst sogenannte Spitzenkünstler:innen kommen aus der Mode.

  4. Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit Arbeiten auf Papier. Selbst ein kleines Werk auf Leinwand ist vielversprechender als ein Werk auf Papier.

  5. Kaufen Sie, was Ihnen gefällt, denn Sie werden damit leben müssen, vielleicht für den Rest Ihres Lebens.