„Wir haben miterlebt, wie es im Leben unseres Großvaters ausschließlich ums Sammeln und Kunst ging.“
Collector Interview | Saskia und Clemens Leopold
Ein Gespräch mit Saskia und Clemens Leopold, Enkel von Rudolf Leopold, Gründer des Leopold Museums, über den ersten Kunstkauf, wie man sich als Zwillingsgeschwister im Sammeln emanzipiert und wie junge Menschen besser in die Kunstwelt eingebunden werden könnten.
Das Interesse an Kunst ist ja familienbedingt naheliegend, aber wie kam es bei euch zum ersten Kauf?
Clemens Leopold: Wir waren natürlich schon immer von sehr viel Kunst umgeben und waren in sehr vielen Museen. Die erste Berührung zur zeitgenössischen Kunst hatte ich dann während meines Studiums in Zürich, wo ich viel bei Galerien wie Eva Presenhuber und Hauser & Wirth war. Messen, wie die Art Basel – und viennacontemporary natürlich – waren auch der Ort, an dem ich viel gesehen habe und mein Interesse verstärkt. Mein erster Kunstkauf war dann 2014, also mit 24 Jahren, auf der Frieze in London, ein Werk von Philipp Timischl bei Emanuel Layr, mit dem damaligen Assistenten Felix Gaudlitz. Also eine Wiener Galerie in London, da hat es gefunkt.
Saskia Leopold: Lustig, ich war beim ersten Kauf auch 24, oder sogar 23. Damals habe ich das Geld ausgegeben, das ich von meiner Taufpatin für den Abschluss meines Magisterstudiums bekommen habe. Das war auf der Art Basel, und zwar ein installatives Werk von der griechischen Künstlerin Rallou Panagiotou bei der Galleri Riis. Es hängt noch heute bei mir zu Hause. Meine Taufpatin war entsetzt, sie dachte, ich würde mit dem Geld eine Indienreise machen oder mich sonst wie selbst verwirklichen – was ich meiner Ansicht nach auch getan habe.
Lag das Interesse für Kunst nicht in der Familie?
Saskia Leopold: Wir haben natürlich miterlebt, wie es im Leben unseres Großvaters ausschließlich ums Sammeln und Kunst ging. Er hat lieber für Kunst Geld ausgegeben, als auf Urlaub zu fahren und mit diesem Gedanken sind wir aufgewachsen. Ich gebe viel lieber Geld für Kunst aus, da überlege ich nicht lange, aber wenn ich mir einen Gebrauchsgegenstand kaufen muss, ein neues Sofa oder so, dann denke ich mir immer Gott, ist das teuer. (lacht).
Saskia Leopold in ihrer neuen Kanzlei. Hinter ihr ein Kunstwerk von Monika Baer. Foto: Maria Belova.
Wie entscheidet ihr, was ihr kauft? Welche Kunst spricht euch an?
Saskia Leopold: Ich glaube, ich kann für uns beide sprechen, dass wir nicht die Kunst kaufen wollen, die unser Großvater gesammelt hat und im Leopold Museum zu sehen ist, die hat ja bereits eine Bühne und ist auch finanziell gesehen ein ganz anderes Kaliber. Uns interessiert ganz klar die Kunst unserer Generation und jener Künstler:innen, die das verarbeiten, was uns auch beschäftigt.
Clemens Leopold: Ja, definitiv. Am Anfang war meine Sammlung total zeitgenössisch, aber jetzt habe ich schon auch ein paar ältere Positionen mit Monika Baer und Raoul de Keyser. Wir haben auch das Privileg, noch mit der Leopold Sammlung weiterzuarbeiten, vor allem Saskia, die im Vorstand der Leopold Museum Privatstiftung ist.
Hat es gedauert, bis ihr euren eigenen Kunstgeschmack gefunden habt, euch sozusagen von der Familiensammlung emanzipiert habt?
Clemens Leopold: Ich glaube, meine Eltern verstehen unseren Kunstgeschmack noch immer nicht (lacht). Das gehört dazu. Ich bin aber auch noch immer auf der Suche. Und das ist ja das Schöne an Kunst, dass sie mittlerweile so vielfältig ist – sie ist installativ, umfasst Skulpturen ebenso wie Malerei, stellt Identitätsfragen, die dann sehr konzeptionell gelöst oder besprochen werden.
Saskia Leopold: Ich sammle auch medienunabhängig das, was mich interessiert – seien es Installationen, Videos, Skulpturen und klassische Malerei. Lange Jahre habe ich – eher zufällig – nur Frauen gesammelt. Das hat sich erst jetzt in den letzten zwei, drei Jahren zum Beispiel durch Dominique Knowles oder Mladen Bizumic etwas aufgeweicht. Früher dachte ich auch, dass ich Fotografie komplett ausschließe. Inzwischen habe ich aber auch Fotografien von Anna Sophie Berger oder Rosa Rendl. Hanna Stiegeler könnte man auch als Fotografin bezeichnen…
Kunst von Anna-Sophie Berger ist mehrfach in der neuen Kanzlei zu finden. Foto: Maria Belova
Und habt ihr einen ähnlichen Geschmack? Besprecht ihr euch miteinander, bevor ihr was kauft?
Clemens Leopold: Da sind wir sehr unabhängig unterwegs, aber wir gehen gerne zusammen auf Messen oder auch zum Gallery Weekend oder Curated by.
Saskia Leopold: Wir haben wenige Überschneidungen in unseren Sammlungen, obwohl ich natürlich die Künstler:innen, die Clemens sammelt, auch total cool finde. Aber man möchte einander als Geschwister dann doch nicht so nacheifern (lacht). Wenn ich das Gefühl habe, Clemens unterstützt einen Künstler, überlasse ich ihn eher ihm. Wir schauen uns viele Ausstellungen und Messen gemeinsam an – es ist angenehm, jemanden zu haben, mit dem man so viel gemeinsame Erfahrungen teilt und dann über das gemeinsame Kunsterlebnis sprechen kann. Da kann man die Diskussion auf einer ganz anderen Ebene ansetzen.
A favorite of both collectors: Hanna Stiegeler, Arcaden (Stairs), 2023
Und wer hat die größere Sammlung?
Saskia Leopold: Vielleicht Clemens um ein paar Werke, hätte ich jetzt gesagt. Wir haben eine Datenbank, in der wir unsere Sammlung eintragen. Immer, wenn Clemens etwas Neues gekauft hat, sehe ich das in der Datenbank und ich glaube, du hast mich um ein paar Werke überholt. (lacht)
Clemens Leopold: Obwohl ich mir manchmal vornehme, weniger zu kaufen, aber dann… Es liegt, glaube ich, in der Leopold Familie der Gedanke, dass Kunst kein Investment sein muss, sondern unser Leben begleitet und es so viel lebenswerter und reicher macht. Nach einem Arbeitstag sehe ich mich zu Hause um und denke, “Da sind schon echt coole Sachen, die da hängen, so viele verschiedene Ideen, in die man sich hineindenken kann.” Womit sich die Künstler, die Künstlerinnen, tagtäglich auseinandersetzen. Es ist schön, ein Teil davon zu sein. Man erinnert sich auch, wie man was gekauft hat oder wo man was gesehen hat, kennt zum Teil die Künstler:innen und weiß, was für nette Personen sie sind.
Clemens Leopold vor einem Kunstwerk von Matthias Noggler. Foto: Maria Belova.
Wo entdeckt ihr Künstler und Künstlerinnen, außer auf Messen?
Saskia Leopold: Man hat so seine paar Galerist:innen des Vertrauens, auf deren Geschmack man zählt und die junge Künstler:innen empfehlen. Das sind schon so ein bisschen die Trendscouts, auf die ich mich verlasse, weil ich neben meiner Anwaltsarbeit und Vorstandstätigkeit nicht unendlich viel Zeit zur eigenen Recherche habe. Aber ich lese natürlich auch viel, Kunstmagazine geben immer eine gute Orientierung und ich gehe natürlich viel in Ausstellungen, Biennalen und Messen. Die sind ja auch immer ein guter Anlass, um auf Reisen zu gehen. Es ist dann auch schön, wenn man eben nicht nur im österreichischen Biotop fischt, sondern auch das Universum in einer anderen Stadt entdeckt.
Clemens Leopold: Instagram ist für mich in letzter Zeit auch ein sehr interessanter Kanal. Man lernt da sehr viel über Künstlernetzwerke – wer wem folgt und wie die sich untereinander verstehen. Und man lernt so den einen oder anderen Künstler oder Künstlerin noch weiter kennen. Ich habe noch nichts gefunden, um sofort zu kaufen, es ist eher ein Entdecken, was ich interessant finde und mir genauer anschauen werde.
Ihr seid ja relativ viel mit jungen angehenden Sammlerinnen und Sammlern in Kontakt. Wie könnten sie denn besser abgeholt werden?
Saskia Leopold: Ich bin im Komitee vom Salon Leopold, das ist der junge Förderverein des Leopold Museum. Viele junge Leute haben eine Art Schwellenangst davor, in eine Galerie hineinzugehen oder nach dem Preis zu fragen. Die versuchen wir beim Salon Leopold abzubauen, indem wir viele Galerien und Ausstellungen besuchen. Ab dem Moment, wo man die erste Frage gestellt hat, merkt man, wie zugänglich alle sind. Die Galeristen freuen sich ja sehr über jede Frage, egal wie oft sie schon gestellt wurde oder wie neu die fragende Person in der Kunstwelt ist.
Clemens Leopold: Also ein total wichtiges Thema ist der Aufbau von jungen Sammlern, weil wir schon merken, dass das Publikum auf Kunstmessen etwas älter ist. Es sollte schon in jungen Jahren beginnen, dass man sich mit Kunst auseinandersetzt, auch wenn man jetzt noch nicht so viel Geld hat. Für mich haben Messen ein Tor geöffnet in diese “Contemporary Welt”. Es wäre wichtig, dass man vielleicht einfacher Vernissage Tickets an interessierte junge Leute herausgibt, die auch in den Genuss einer ruhigen Preview kommen. Ich nehme Freundinnen und Freunde auch gerne mit in Galerien, das hat echt schon viele Früchte getragen, ohne es zu beabsichtigen. Ich dränge niemanden dazu, aber viele haben dann begonnen, auch Kunstwerke zu kaufen, weil sie der persönliche Austausch in einer Galerie auch inspiriert hat. Ich gehe vor allem in sehr junge Galerien, wo die Galeristen in unserem Alter sind, da ist es natürlich ein ganz anderer Austausch.
Eure Top Drei Lieblingskünstlerinnen oder -künstler?
Clemens Leopold: Puh das ist schwierig. Philipp Timischl ist der erste Künstler, den ich gesammelt habe, also der Anstoß zu vielem und auch für mich immer noch sehr interessant. Puppies Puppies, eine Künstlerin, die vor allem in New York arbeitet, die sich mit Identitätsfragen auf eine sehr mutige, persönliche und schonungslose Art auseinandersetzt. Matthias Noggler finde ich auch immer spannend, weil er sich ständig in seiner Malerei weiterentwickelt und nichts unversucht lässt, um seinen Weg weiterzugehen. Und Hanna Stiegler ist auch sicher in den Top vier, wo ich mir denke, das ist eine tolle junge Künstlerin, wo sicher noch vielkommt.
Saskia Leopold: Auch wenn ich mir schwer tue, hier eine Auswahl zu treffen, bleibe ich meiner Ursprungssammlung treu – nur Frauen: Anna Sophie Berger finde ich eine wahnsinnig tolle Künstlerin, unter anderem weil sie auch die Schnittstelle zwischen Kunst und Mode beleuchtet, die ich auch sehr spannend finde. Und sie selbst ist einfach auch eine tolle Person und super sympathisch. Dann lustigerweise ähnlich wie bei Clemens, die erste Künstlerin, die ich gekauft habe, Rallou Panagiotou. Vor kurzem habe ich wieder ein Werk von ihr gekauft und obwohl zwischen den beiden Käufen circa zehn Jahre liegen, ist sie in dieser Zeit sehr konsequent ihren Weg gegangen, dass das erste Werk noch immer zum neuen passt – ich finde das einfach bewundernswert. Eine Neuentdeckung für mich ist Viola Leddi, eine italienische Künstlerin, die sehr schöne, delikate Malereien macht. Ein Lieblingswerk könnte ich definitiv nicht nennen.
Philipp Timischl, Thank you god for all this bod, 2022, von Clemens Leopolds Sammlung.
Clemens Leopold: Deswegen sammelt man ja, damit man nicht bei einem aufhört, sondern immer ein neues Lieblingskunstwerk findet.
Kunstwerk von Anna-Sophie Berger im Büro von Saskia Leopold.
Saskia Leopold arbeitet als Anwältin und eröffnet gerade ihre eigene Kanzlei in Wien. Clemens Leopold ist Nachhaltigkeitsberater mit seinem Unternehmen Sustainability& in Deutschland und in Österreich tätig.