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„Wir mussten alles entfernen, um mehr Platz für die Kunst zu schaffen“.

Collectors Interview | Marie Grabner und David Anton Wildberger

Während Marie Grabner (23) schon in der Schulzeit ihr Taschengeld in Kunst investieren wollte, springt diese Begeisterung erst etwas später auf ihren Partner David Anton Wildberger (24) über. Heute teilt das junge Paar eine große Sammelleidenschaft mit Fokus auf große österreichische Namen, die sich nur von einem Mangel an Hängeplatz eindämmen lässt. Ein Gespräch über die Anfänge des Kunstkaufs. 


 

viennacontemporary: Wer hat die Sammelleidenschaft in eure Beziehung gebracht?

Marie Grabner: Das war ich. Ich bin familiär vorbelastet: alle in meiner Familie interessieren sich für Kunst, entweder sie machen Kunst oder arbeiten in der Kunstbranche. Die ersten Kunstwerke wollte ich schon mit zehn Jahren mit meinem Taschengeld kaufen – Hans Staudacher und Franz Grabmayr. Meine Eltern haben das damals unterbunden. Hätten sie es mir erlaubt, dann wären die Arbeiten jetzt viel mehr wert (lacht). Als David und ich während Corona zusammengezogen sind, haben wir gesagt, jetzt ist es an der Zeit – wir wollen mit dem Sammeln beginnen.

David Anton Wildberger: Ich komme aus einer Familie, in der Kunst eher eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Maries Großeltern habe ich erstmals gesehen, wie Kunst einen Raum lebhafter macht und vor allem auch individualisiert. Dann bist du, Marie, vor vier Jahren mit den zwei Bildern von Hermann Nitsch nach Hause gekommen – da habe ich gemerkt, wie viel Freude das bringt! Wie man die Bilder jeden Tag anschaut und denkt, wie viel schöner der Raum ist. Das war dann eigentlich die Hauptintention, dass ich gesagt habe, wir brauchen ganz, ganz viel Kunst und hängen alles voll. Bis wir irgendwann mehr Wände haben, um mehr aufzuhängen.

 

viennacontemporary: Ja, die Wände sind schon recht voll.

David Anton Wildberger: Uns geht langsam der Platz aus. Wir greifen eher zu großformatigen Bildern, und das in einer sehr kleinen Wohnung. Vor einem halben Jahr waren hier noch Kästen bis zur Decke, aber wir haben alles abmontiert. Wir haben jetzt kaum Stauraum mehr und mussten uns von vielen Sachen trennen. Aber es ist den Verzicht wert.

Marie: Den Mlenek dort hinter der Pflanze habe ich David zum Geburtstag geschenkt. Es ist ein Gemälde mit einem Holzstück vom Staatsatelier, schwarz lackiert und unser Name hängt im Staatsatelier.

David Anton Wildberger: Das war ein ganz tolles Geschenk! Und dazu hat gehört, dass wir Mlenek auch besuchen. Er hat gefragt, wie das Werk bei uns hängt und ich habe ihm das Foto gezeigt. Er war richtig schockiert davon und hat uns sofort Aufhänge-Tipps gegeben. Ich hab‘ so lachen müssen.

Kunstwerk von Hannes Mlenek, ein Geburtstagsgeschenk von Marie an David.

 

viennacontemporary: Wie findet ihr neue Kunst?

David Anton Wildberger: Ich spaziere gern durch den ersten Bezirk und schaue in Galerien rein. Wir gehen auch zu Auktionen, eigentlich zu allen, die stattfinden. Und zu Messen. Wenn man auf zwei, drei Messen war, dann beginnt man, Muster zu bemerken und erkennt Künstler:innen wieder. Und dann steht man beim Messestand, fragt nach und hört Geschichten über die Künstler:innen erfährt lustige Eigenschaften von der Person, und bekommt einen immer stärkeren Bezug dazu. Für mich muss Kunst in erster Linie schön sein, also uns ästhetisch gefallen. Aber dann ist es natürlich umso besonderer, wenn man einen Bezug zur Kunst hat und zum Kunstschaffenden. Und wenn wir den hergestellt haben, dann schauen wir, wo wir die Kunst kaufen könnten.

Marie Grabner: Wir haben schon in Galerien, bei Auktionen und Benefizauktionen, auf Willhaben und direkt bei Künstler:innen gekauft.

David Anton Wildberger: Wenn es irgendwie möglich ist, probieren wir, die Künstler:innen zu besuchen. Das ist ganz besonders, wenn man sieht, wo sie schaffen. Und für mich ist es auch wichtig, dass die Person sympathisch ist. Das ist jetzt nicht bei allen Künstler:innen so, wir kennen Hermann Nitsch oder Gunter Damisch natürlich nicht, aber zum Beispiel Joanna Gleich, Hannes Mlenek, Peter Kogler,…das sind so sympathische Menschen. Und dann ist es umso schöner, wenn ihre Werke bei uns hängen.

 

viennacontemporary: Ihr habt ja gleich mit sehr bekannten Namen angefangen.

Marie Grabner: Ja, wir sammeln bedeutende österreichische, zeitgenössische Künstler:innen.

David Anton Wildberger: Maries Opa meint, wir hätten teuren Geschmack (lacht).

 

viennacontemporary: Steckt da ein strategischer Gedanke dahinter?

Marie Grabner: Die zeitgenössische Kunst ist irgendwie das, mit dem ich aufgewachsen bin, wo immer ein Bezug war. Und das gefällt uns auch einfach am besten.

David Anton Wildberger: Wenn man mit dem Sammeln beginnt, so wie wir gerade, dann muss man sich auf etwas konzentrieren – daher beschränken wir uns jetzt einmal auf Österreich. Meine technische Ausbildung an einer HTL hat mich geprägt. Ein besonderes Erlebnis war, als ich bei einer Fluggesellschaft arbeitete und ein beeindruckendes schwarz-weißes Flugzeug sah. Später habe ich erfahren, dass es Peter Kogler gestaltet hatte. Seit damals ist er mein Lieblingskünstler, weil er das Technische und die Kunst verbindet. Das hat mich dazu motiviert, mich näher mit seiner Kunst zu befassen. Dadurch habe ich mich später mit zeitgenössischer Kunst und in weitere Folge dem Wiener Aktionismus, Günter Brus, Nitsch beschäftigt … und dadurch entdeckt man dann weitere Künstler:innen.

Marie Grabner: Meine Lieblingskünstlerin ist Joanna Gleich. Ich empfehle sie jedem, der farbenfrohe Malerei liebt und mich um einen Tipp für eine gute Investition bittet.

 

viennacontemporary: Hat sich eure Wahrnehmung oder Geschmack von zeitgenössischer Kunst durch eure gewonnenen Erfahrungen verändert?

David Anton Wildberger: Ja, sehr! In der HTL war ich etwa noch voreingenommen von abstrakter Kunst. Klassische Meinung: Ich kaufe mir drei Farben und mache das selber. Aber dann waren wir bei Maries Tante in einem Malkurs. Ich konnte nicht glauben, wie schwierig es ist, nur eine Farbe irgendwo drauf zu bekommen. Da habe ich erst verstanden, wie komplex Kunst ist. Das sage ich heute all meinen Freunden, die sich über zeitgenössische Kunst lustig machen: Probiere es einmal selber, dann siehst du erst, wie schwierig das ist.

Kunstwerke von Joanna Gleich.

 

viennacontemporary: Sucht ihr immer nach konkreten Künstler:innen oder verliebt ihr euch auch spontan in ein Werk, ohne den Namen dahinter zu kennen?

David Anton Wildberger: Klar passiert das, aber die können wir uns dann nicht leisten. Ich habe schon ein absolutes Lieblingsbild, das wirklich etwas in mir auslöst. Ein Riesengemälde von Franz Grabmayer, so ein Landschaftsbild von einer Alm. Ich bin Wiener, ich habe nichts mit den Alpen oder Natur zu tun. Aber das ist so wahrhaftig irgendwie.

Marie Grabner: Wir haben uns gar nicht getraut, nach dem Preis zu fragen.

 

viennacontemporary: Ihr habt eure ersten Kunstwerke gekauft, da wart ihr gerade erst volljährig. Wie hat euer Umfeld darauf reagiert?

Marie Grabner: Ich war in einer Kunstschule, auch meine Freundinnen interessieren sich für Kunst. Aber wenn zum Beispiel Davids Freunde kommen, die auch auf einer HTL waren, wundern sie sich schon darüber, dass wir so eine riesige Freude damit haben.

David Anton Wildberger: Bei den ersten Kunstwerken hat auch schon Mut dazu gehört. Für mich war das schon ein großer Schritt, so viel Geld auszugeben für etwas, das man ja eigentlich nicht braucht – also absoluten Luxus. Ich bin nicht mit dieser Mentalität aufgewachsen. Wegen der hohen Preise, habe ich mich fast verpflichtet gefühlt, den Kauf vor meiner Familie zu begründen. Aber ja, wir bereuen es keinen Tag.

Marie Grabner: Man muss auch sagen, wir informieren uns sehr genau, bevor wir Kunst kaufen. Der erste Blick gilt natürlich dem Werk. Dann vergleichen wir ganz viele Preise und haben mittlerweile ein gutes Gefühl für den Kunstmarkt entwickelt. Dadurch konnten wir auch manchmal schon sehr gute Preise bekommen.

Arnulf Rainer. Fotos von Maria Belova

 

viennacontemporary: Was kann die österreichische Kunstszene tun, um für junge Leute interessanter zu sein?

David Anton Wildberger: Was mir spontan einfällt – wobei ich nicht weiß, wie sie das ändern könnten – ist, dass, ich früher das Gefühl hatte, wenn ich kein potenzieller Käufer bin, kann ich gar nicht in eine Galerie reingehen. Obwohl ich jetzt die Erfahrung gemacht habe, dass die Galerist:innen sehr wohl gerne über die Kunst erzählen, auch wenn ich kein potenzieller Käufer bin.

Marie Grabner: Auch, dass einfach nirgendwo Preise angeschrieben sind, und man sich nicht traut nachzufragen. So weiß man gar nicht, könnte ich mir das eventuell leisten?

 

viennacontemporary: Wie legt ihr den finanziellen Rahmen fest?

David Anton Wildberger: Wir finanzieren unsere Kunst selber, wir arbeiten beide Vollzeit und studieren berufsbegleitend. Bei Kunstkäufen sind wir sehr rational, vergleichen viel und bremsen uns gegenseitig ein, damit wir keine irrationale Entscheidung treffen.

Marie Grabner: Wir teilen uns die Kosten von allen Bildern. Das ist super, weil so kosten sie ja quasi nur die Hälfte für jeden von uns.